Dienstag, 17. März 2009

GILDA und SHANGHAI-EXPRESS

Glenn Ford, ein „handsomer“ und sympathischer Haudegen, neben John Wayne und einem unbekannten Dritten der schnellste Revolver-Mann unter den Film-Cowboys, hat auch im Film noir seine Meriten. Am bekanntesten ist sicher seine Rolle in Charles Vidors GILDA (1946) als eifersüchtiger Partner von Rita „Put the Blame on Mame, Boy“ Hayworth. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Mann und Frau, die hier keine Femme fatale, sondern ein bad good girl ist. So heißt es bei Martha Wolfenstein und Nathan Leites: „She is a good girl who appears to be bad“ (Movies. A Psychological Study, New York 1970, Orig. 1950), S. 27). Die Erscheinung deckt sich nicht mit dem Wesen.

Daher hat man Wert darauf gelegt, die Femme fatale und das Bad-Good-Girl deutlich voneinander zu unterscheiden, ja dieses stellt geradezu das Gegenteil von jener dar. Die Gemeinsamkeit beider archetypischen Frauenfiguren beruht in dem, was der Theologe
Rudolf Otto in Betrachtung des Heiligen als Mysterium tremendum bezeichnet hat, nämlich in der „Kontrastharmonie“ von Anziehung (fascinans) und Abstoßung (tremendum).

Dementsprechend schreibt Paul Werner in Film noir – Die Schattenspiele der »schwarzen Serie« (dem ich auch das obige Zitat verdanke) in bezug auf das bad good girl Gilda von der „Faszination, die von der »bösen Frau« ausgeht“: Der Held fühle sich „von ihr abgestoßen und zugleich zu ihr hingezogen“ (Frankfurt a. M. 1989, S. 34). Und in gleichem Sinne äußert er sich über die „Ambivalenz der Femme fatale, die aus gleichzeitiger Anziehung (Erscheinung) und Abstoßung (Wesen) resultiert“ (ebd., S. 49).

Wogegen wir (wir = Ezzelino der Fuchs und Ezzelino der Löwe) uns aber verwahren, ist, daß sich dieser Frauentypus erst im Jahr 1946 ans Licht gewagt habe, in Ablösung des Vamps der 10er und 20er Jahre. Und hierzu führen wir als Beispiel Shanghai-Lily an, das Bad-Good-Girl aus dem Jahre 1932, und wir reden von keiner geringeren als Marlene Dietrich in Joseph von Sternbergs SHANGHAI-EXPRESS. Die Konstellation scheint in beiden Filmen identisch: hier ein gekränkter, eifersüchtiger Mann, der sich bemüht, hart und cool zu erscheinen und die Frau, die er noch immer liebt, mit Verachtung zu strafen; und dort – nun: ein bad good girl eben.

Ist auch der Partner der Dietrich, Clive Brook, heute längst an den Saum des Erinnerns verbannt, so ist das gesamte Werk auch noch über 75 Jahre später (o ja – tempus fugit) ein Augenschmaus, nicht zuletzt dank der Cinematographie Lee Garmes’ und vor allem James Wong Howes, der – by the way – auch Raoul Walshs VERFOLGT in so raffiniertes Dunkel getaucht hat. „Die Reise der Strahlen von jenem zentralen Kern zu den Außenposten der Schwärze, das ist das Abenteuer und das Drama des Lichts.“ So steht es auf dem Innen-Cover der Nummer 28 in der Reihe „Traumfrauen – Göttinen der Kinoleinwand“: SHANGHAI-EXPRESS (Süddeutsche Zeitung Cinemathek). Empfehlenswert.